Mitarbeiterinnen der Hospizbewegung St. Martin machen sich auf den Weg in die weiterführenden Schulen und greifen die Themen Tod, Sterben und Trauer auf, anhand eines Kurzfilmes bzw. vorbereiteten Fragen der Schüler. Anfragen können die Lehrkräfte im Hospizbüro stellen.

 

Film und Buchempfehlungen, besonders für den Schulunterricht zu den Themen finden

Sie unter Film und Buchempfehlungen dieser Internetseite.

 

Glashaus

 

Haltet die Welt an.

Es fehlt ein Stück,

Sie soll stehen.

Und die Welt

dreht sich weiter.

Und dass sie sich weiter dreht,

ist für mich nicht zu begreifen,

merkt sie nicht,

dass einer fehlt?

 

Haltet die Welt an,

es fehlt ein Stück.

Haltet die Welt an,

sie soll stehen.

 

aus: Glashaus

„Drei“

Mai 2005

 

 


„Halt’s Maul, jetzt kommt der Segen“

Auszüge aus dem Buch von Inger Hermann

 

Pervers heißt „falsch herum“, etwas, das einfach nicht vorkommen dürfte. Und wenn es doch vorkommt, dass der Tod in Kinderleben einbricht, dann glauben wir, die Kinder zu schützen, indem wir sie fernhalten: Mit ihren Fragen und Ängsten und auch mit ihren oft grausigen Phantasien bleiben sie allein. Manche Kinder spüren, fühlen ganz deutlich, dass ein Gestorbener nicht einfach tot und weg ist, dass es Nähe gibt, und es liegt an uns, ob diese Erfahrungen zu einem Gefühl tröstlicher Begleitung oder grausigen Verfolgt seins werden. Der verdrängte Tod bedrängt, schnürt Leben ab.

 

Was kann man einem Kind schon über den Tod sagen? Unser Sprechen ist vielleicht weniger wichtig als unser Hören, Hören auf die Fragen, die Vorstellungen, die ein Kind über den Tod hat. – Ein schwerkranker Zwölfjähriger, der sagt, er wünschte er wäre in Dachau gestorben, dort habe man doch wenigstens über seine Ängste sprechen können, macht die Not der Sprachlosigkeit deutlich…

 

Wenn wir den Tod in seiner Tabu-Ecke lassen, verkümmern die Kinder in ihrem Menschsein. Die Erfahrung von schlimmem Tod trifft oft auf die Erfahrungen von schlimmem Leben. Dann öffnen sich Abgründe von Trauer und Todesangst, zu tief, zu dunkel auch, als dass sie sich nachträglich ans Licht holen und aufschreiben ließen. So ist die Zahl der Geschichten zu diesem Thema besonders klein. Das steht im Gegensatz zu der Beobachtung, dass überproportional viele gescheiterte Schüler solche Kinder sind, die Tod oder Sterben erlebt haben und damit allein gelassen wurden. Vereinfacht ausgedrückt: Nicht begleitete Todeserfahrung wird zur Lernbehinderung.

 

Olli geht meist gekrümmt. Wie unter einem viel zu schweren Rucksack. Jetzt erfahre ich, dass seine Mutter im Alkoholkoma liegt. Wenn auf die alltäglichen Lebenslasten ein so großer und schwerer „Stein“ draufgepackt wird, dann ist es ein Wunder, dass ein solches Kind überhaupt noch steht. Zu erwarten, dass es mit dieser Last zügig voranschreitet, womöglich bergauf, gesteckte Ziele erreicht, das käme uns auf einer Gebirgswanderung nie in den Sinn. Wir würden ihn ermutigen, den Rucksack einmal abzustellen, zu öffnen, und, wenn er uns einlädt, miteinander hineinschauen. Was hast du denn da auf dem Grund? So vieles. Brauchst du auf deinem Weg alles, was so schwer ist, oder magst du mir etwas davon geben? Ich kann dir nicht den ganzen Rucksack abnehmen und auch den Weg nicht ersparen, aber erst mal können wir miteinander rasten. Anschauen und sortieren, so kann Begleitung in der Trauer aussehen.

Verhinderte Klage verhindert das Leben – und damit das Lernen. Wir müssen also der Trauer einen Raumschaffen. Dabei müssen wir darauf gefasst sein, dass Trauer oft gar nicht „traurig“ aussieht. Es sind die am tiefsten verletzten und die älteren Kinder, bei denen geronnene Trauer und vergrabene Todesangst oft in giftigem Zynismus an die Oberfläche schießt. Da geht es nur um Wahrnehmen und Aushalten. Gutgemeinte Tröstungen oder religiöser Zuspruch kommen in dieser Situation einer Missachtung der Trauer gleich und gehen bestenfalls ins Leere. „Das Geheimnis der Liebe ist Anwesenheit“ (Steffensky)

– Ich weiß nichts anderes. Und ich weiß auch: Wer nicht hören kann, weil Schmerz und Wut ihm die Ohren verkleben, kann doch fühlen, ist oft besonders „hellfühlig“. Sterben ist in unserer Gesellschaft längst nicht mehr eine Angelegenheit der Gemeinschaft, so wenig wie die Trauer. Im Wahrnehmen von Gefühlen, im Zulassen von Klage und Anklage, in der Kommunikation, bringen wir Sterben, Tod und Trauer wieder dahin, wo sie hingehören: in unsere Mitte…